[Gastbeitrag von Saskia Seeling]
Warum ist Achtsamkeit ein so wichtiger Bestandteil auf Reisen? Auf der Suche nach neuen Eindrücken und Erfahrungen, werden wir früher oder später auch von genau diesen erschlagen. Körper und Geist brauchen Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten und all die Stimulationen setzen zu lassen.
2017 bin ich für 14 Monate um die Welt gereist – und hatte große Ideen und hohe Ansprüche, Achtsamkeit, die mein Anker im Alltag war, auch mitzunehmen. Geklappt hat das eher mittelmäßig. Gelernt habe ich dadurch, und auf Reisen in den Jahren danach, jedoch einiges. Mittlerweile weiß ich, wie Achtsamkeit auf Reisen für mich funktioniert und freue mich, meine Strategien heute mit dir zu teilen.
Achtsamkeit auf Reisen: 6 hilfreiche Tipps
Verarbeitung von Sinneseindrücken auf Reisen
Hast du schon einmal vom Reise-Burnout gehört? Wenn du, so wie ich, eher hochsensible Persönlichkeitszüge hast, dann fluten die Geräusche, Gerüche, Begegnungen und Sinneswahrnehmungen noch schneller als bei anderen Menschen dein Nervensystem. Statt deine Reise zu genießen, bist du bewusst oder unterbewusst gestresst und kannst diese einmaligen Erlebnisse auf Reisen gar nicht in ihrem vollen Ausmaß wahrnehmen und genießen.
1.) Ansprüche an die Achtsamkeitspraxis und sich selbst herunterschrauben
Zuhause verbringe ich fast jeden Tag 30 Minuten mit meiner Achtsamkeitspraxis. Auf Reisen ist das schon schwieriger. Oft habe ich mir vorgenommen, “einfach so” wie zu Hause weiterzumachen. Und vom ersten Reisetag an, hat es nicht geklappt: Jetlag, fehlende Routinen und Regelmäßigkeit, wechselnde Orte und fehlende Rückzugsmöglichkeiten waren nur ein paar der Störfaktoren, die mich und meine 30 Minuten Achtsamkeit voneinander ferngehalten haben.
Was viel besser funktioniert: Die Ansprüche anpassen. Statt 30 Minuten nehme ich mir nun fünf Minuten auf Reisen vor. Auch die haben schon einen richtig großen Einfluss auf dein Wohlbefinden und wie präsent du unterwegs bist, sind aber viel einfacher in einen vollen Reisetag einzubauen, als 30 Minuten. Wenn es dann manchmal mehr als fünf Minuten werden, nehme ich das an. Zudem habe ich gelernt, die Tage anzunehmen und das meiste rauszuholen, auch wenn es mal nur eine Minute Zeit für die Achtsamkeitspraxis ist.
2.) Die Praxis an die Reise anpassen
Meine Achtsamkeitspraxis zu Hause hat verschiedene Bestandteile: eine Kerze anzünden, Atemübungen, Meditation und Journaling. Das auf Reisen genauso zu replizieren, hat für mich nie geklappt. Zu unterschiedlich sind die Orte, an denen ich Zeit habe zu praktizieren und zu lang ist das Ritual um Tipp #1 gerecht zu werden.
Daher sieht meine Achtsamkeitspraxis unterwegs ganz unterschiedlich und anders aus als zu Hause: An manchen Tagen ist es Journaling in einem Notizbuch, das ich mitgebracht habe, oder der Notizen App auf dem Smartphone. An anderen Tagen sind es bewusste Atemübungen während ich im Bus sitze. Oder eine kurze Meditation zu Binaural Sounds im Flugzeug. Oder barfuß ein paar Schritte laufen und ganz bewusst den Boden unter meinen Füßen wahrnehmen nach einem langen Wandertag. Oder auf den Boden legen und die ausgestreckten Beine an die Wand lehnen nach einem anstrengenden Tag in einer lauten Stadt. Achtsamkeit hat unendlich viele Facetten und Reisen können eine ganz besondere Einladung sein, auf dich und deine Bedürfnisse zu hören und dir ein paar Minuten pro Tag zu nehmen, um dir genau das zu geben, was du brauchst.
3.) Noise Cancelling Kopfhörer für deine Auszeit
Unsere fünf Sinne sind die Eintrittstore, durch die unser Geist stimuliert wird. Wenn du auch hochsensibel bist oder vom Reisen einfach ein bisschen überstimuliert, kann es schwer sein, in eine Achtsamkeitspraxis zu finden. Das fühlt sich oft an, als ob du deinen eigenen Atem nicht spüren kannst, weil da einfach zu viele Geräusche in deinen Geist kommen, beispielsweise von dem Transportmittel, in dem du dich befindest, der Stadt in der du bist, oder den Menschen, die dich gerade umgeben.
Auf Reisen ist mir das schon ganz oft passiert und das war einer der Gründe, warum ich nie den “richtigen Ort” und den “richtigen Zeitpunkt” für meine Achtsamkeitspraxis gefunden habe. Seit mir das klar geworden ist, versuche ich, wo es nur geht, meine Noise Cancelling Kopfhörer mitzunehmen. Dieses einzige Sinnesorgan zu blockieren, fühlt sich oft an, als ob ich eine Zufahrtsstraße gesperrt habe und der Verkehr auf der Hauptstraße dadurch endlich wieder fließen kann.
4.) Störfaktoren bewusst nutzen
“When life gives you lemons – make lemonade”. Das wäre eine Möglichkeit, meinen nächsten Tipp zu beschreiben. Wenn ich meine Noise Cancelling Kopfhörer nicht dabei habe oder andere Sinneswahrnehmungen “zu laut” sind, wie der Wind oder Gerüche, nutze ich ganz oft eine spezielle Achtsamkeitstechnik, welche ich hier mit dir teile.
Statt zu versuchen, den Störfaktor auszublenden (klappt eh nie), fokussiere ich mich voll und ganz auf ihn. Sagen wir, ich bin auf einer Mehrtageswanderunf und ich merke, wie der ständige und intensive Wind jeden meiner Gedanken und meine Körperwahrnehmung überlagert und ich immer nervöser werde. Dann setze ich mich hin, schließe meine Augen und beginne, meine gesamte Aufmerksamkeit dafür zu nutzen, den Wind auf meiner Haut oder in meinen Ohren wahrzunehmen. Ich versuche, jedes noch so kleine Detail des Windes wahrzunehmen und setze diese innere Wahrnehmungsreise für einige Minuten fort. Im Ergebnis bin ich ruhiger und zentrierter und der Wind lässt sich für mich viel leichter ausblenden als zuvor.
5.) Nutze Achtsamkeit als Teil der Reise
Yoga- und Meditation-Studios gibt es auf der ganzen Welt verteilt. Warum nutzt du deine Reise daher nicht, um an Klassen in unterschiedlichen Studios vor Ort teilzunehmen? Klar, das funktioniert dort einfacher, wo du die Landessprache sprichst oder Klassen auf Englisch angeboten werden. Aber auch mit ganz grundlegenden Sprachkenntnissen kannst du an einem richtig bereichernden Event teilnehmen und hast dir zusätzlich eine extra Portion Achtsamkeit geschenkt.
Viele Studioklassen, an denen ich in meinem Leben zu Hause teilgenommen habe, sind mir nicht langfristig in Erinnerung geblieben. Klassen, die ich auf Reisen besucht habe, haben stattdessen einen ganz besonderen Platz in meinen Erinnerungen. Immerhin passiert es nicht alle Tage, dass ich Yoga am Strand in Mancora praktiziere, in Sydney einen neuen Yogastil ausprobiere oder zum Sonnenaufgang auf Bali auf dem Moped zur Klasse düse.
6.) Achtsamkeit auf Reisen: Bleib’ online verbunden
Last but not least, hat uns nicht zuletzt die Pandemie gezeigt, was virtuell und online alles möglich ist. In Orten, in denen ich die Landessprache nicht einmal ansatzweise verstehe oder partout kein Studio finden kann und dieses extra Stück Motivation brauche, das eine angeleitete Praxis manchmal mit sich bringt, sind Stunden online die perfekte Lösung.
Ich persönlich liebe InsightTimer, da du dort nicht nur Zugriff auf vorproduzierte Aufnahmen hast, sondern auch an live Meditation mit Lehrern aus der ganzen Welt teilnehmen kannst. Gerade live Klassen bieten oft dieses kleine extra Stück Verantwortlichkeit, das man unterwegs braucht. Wenn du das mal ausprobieren willst, schau doch mal bei meinen wöchentlichen Live Meditationen auf InsightTimer vorbei.
Achtsamkeit auf Reisen: Mein Fazit
Viele Reisen waren für mich ein steter Selbstversuch, wie ich Achtsamkeit unterwegs auf eine Art einbinden kann, die mich tatsächlich unterstützt. Heute fällt es mir dadurch viel einfacher, meine Bedürfnisse auch unterwegs wahrzunehmen und zu erfüllen. Aber natürlich gibt es auch weiterhin Tage, an denen all die Erkenntnisse nichts nützen, und ich überstimuliert und gestresst im Bett liege und mich ärgere, dass ich mir keine fünf Minuten für mich selbst genommen habe. Da denke ich meist an meinen Meditationslehrer und wie er im Training immer und immer wieder gesagt hat: “Start again”. Und das mache ich dann am nächsten Tag auch. Und du hoffentlich auch.
Hast du noch weitere Tipps für mehr Achtsamkeit auf Reisen?
Über die Autorin:
Saskia Seeling
Coachin & Yoga-Lehrerin
Saskia Seeling ist ein Empowerment- und Meditationscoach für Frauen der Millennials. Sie ist Yoga- und Meditationslehrerin, Retreat-Leiterin und Life Coach in Hamburg.